Nichts Neues gekonnt haben wir schon

Warum Innovationsprogramme so oft scheitern und was dagegen helfen kann.

Wir brauchen mehr Innovationskultur! So oder so ähnlich schallt es durch die Unternehmen. Ein Innovationsprogramm muss her. Und so drehen sich dann die meisten Initiativen auch darum, mehr und bessere Ideen zu generieren und die beste(n) davon in die Umsetzung zu bringen. Am Ende steht dann die Innovation, nämlich eine (Er)Neuerung im Sinne einer erfolgreich umgesetzten Veränderung durch neue Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren, welche im ökonomischen Kontext Nützlichkeit bei der Lösung von wirtschaftlichen oder gesellschaftlichen Herausforderungen bewiesen hat. 

 

DIESE PROGRAMME FÜHREN IN DER MEHRZAHL DER FÄLLE AM THEMA VORBEI!

 

Im Vordergrund stehen nämlich - ist doch logisch - die neuen Ideen und deren mögliche Innovationen. Dabei wird die wichtigste Zutat gerne vergessen: Die Menschen! Alle (großartigen) Innovationen entstehen durch Menschen. Menschen, die von ihrer Idee überzeugt waren. Die dafür regelrecht gebrannt haben. Und sie haben ihre Ideen gegen alle Widerstände und Widrigkeiten durch- und umgesetzt.

 

In etablierten Organisationen herrscht jedoch die Macht des Gewohnten. Neue Ideen und innovative Konzepte fernab des Mainstream haben im Tagesgeschäft zwischen KPI und Zielvereinbarungen keinen Platz. Und es sind wiederum - na klar -  die Menschen, welche eine mögliche Weiterentwicklung (un)bewusst verhindern. Kaum verwunderlich, dass so viele gute Ideen nicht daran scheitern, dass sie niemandem eingefallen sind. Sondern daran, dass deren Umsetzung nicht konsequent genug unterstützt und vorangetrieben wurden.

 

Ideengeber können schnell die Lust und den Spaß am innovieren verlieren, wenn sie gegen die eigene Organisation antreten (müssen). Gunter Dueck hat das in seinem Buch "Das Neue und seine Feinde" so treffend beschrieben. Eine meiner zentralen Erkenntnisse aus der Lektüre: Ideen und deren Erfinder sollten solange wie möglich "als U-Boot" unter Sicht fahren und erst an die Oberfläche kommen, wenn eine gewisse Reife erlangt ist. Diese Reife orientiert sich nicht am bereits erreichten Perfektionsgrad der Idee, sondern an der Zahl der Unterstützer innerhalb und - noch besser - außerhalb der Organisation, die man "undercover" für sich gewinnen konnte. Wobei leicht zu erraten ist, dass die wirksamste Unterstützung dabei von Kunden kommt. Denn diese haben bekanntermaßen immer Recht, nicht wahr?

 

 "Focus on creating innovators, not innovations!"
(Mark Randall, Chief Strategist Adobe)

 

Wir brauchen also Initiativen und Konzepte, welche mal primär die Menschen im System berücksichtigen. Und zwar vorrangig die Ideengeber (Innovatoren), da sie die größte Motivation dafür aufbringen. Jedoch auch all die anderer Personen, deren (Mit)Wirkung von Bedeutung ist! Alles andere ergibt sich dann daraus. Adobe's Kickbox Initiative liefert dafür tolle Inspirationen. Ich schreibe hier übrigens bewusst "berücksichtigen" und nicht "in den Mittelpunkt stellen". Denn es gibt Situationen, da kann es auch mal erforderlich sein, Menschen (vorübergehend) "aus dem Weg" bzw. "aus der Schusslinie" zu nehmen. Also ziemlich genau das Gegenteil von Mittelpunkt.

 

Ein Beispiel: Menschen tun sich oft schwer, mit Ideen zum "Vorgesetzten" zu gehen. Vielleicht sind sie schonmal abgeblitzt oder ihre Idee wurde vom Chef als seine eigene in der Hierarchie weiterverkauft. Manche haben auch einfach nur Angst - im Sinne von übertriebener Ehrfurcht - ihrer Führungskraft die Zeit zu rauben oder sich sonst wie zu blamieren. Diese Vorbehalte bekommt so eine Initiative nicht weg, zumindest nicht kurzfristig.

 

Anstatt nun reflexartig die Unternehmens- oder Führungskultur umkrempeln zu wollen, und damit das Innovationsprogramm zum Erliegen zu bringen, bietet sich ein kleiner Umweg an: Zum Beispiel die Einrichtung einer neutralen Stelle, an der die Idee vorgetragen werden kann. Parallel dürfen natürlich gerne Maßnahmen und Interventionen in Angriff genommen werden, um das Problem der (scheinbaren) Barrieren abzubauen. Das wäre dann allerdings ein anderes Spielfeld, nämlich eine Initiative zur Veränderung der Unternehmens- bzw. Führungs-Kultur bzw. dem (Selbst)Verständnis von Führungskräften und Mitarbeitenden.

 

"Generating ideas is not the issue. Executing on them is."
(Unknown)

 

Ferner wichtig für ein erfolgreiches Gelingen ist anzuerkennen, dass zu Beginn fast alle später erfolgreichen Innovationen zunächst nach einer schlechten Idee aussehen. Allein schon deshalb, weil ihr Erfolg und ihre Umsetzung ja ungewiss ist. Es geht schließlich um etwas Neues. Da funktionieren die etablierten Denkmuster und Maßstäbe nur bedingt. Genau deswegen ist bspw. auch das bewerten und kritisieren beim Brainstorming verboten!

 

Daher ist es sinnvoll, sich mit der Motivation des Innovators zu beschäftigen. Denn das ist über lange Zeit die einzige Kraftquelle, aus der eine Innovation erwachsen kann. Schließlich betrachten die anderen Beteiligten ihre Mitarbeit daran meist nur als (lästigen) Zusatzauftrag, oder als Risiko-Investment oder eben den Job, der (neben vielen anderen halt auch noch) zu tun ist.

 

Neue Ideen brauchen jedoch mehr. Sie brauchen besonders zu Beginn regelrecht Geburtshilfe und jede Menge Schutz und Pflege, um in der feindlichen Welt da draußen bestehen zu können. Jedenfalls solange, bis sich deutlich genug herausstellt, ob oder dass sie eine gewisse Chance auf Erfolg haben. Das Konzept der "Inkubatoren" lässt an dieser Stelle grüßen. Doch wer  solch eine Brutstätte nicht besitzt, muss zwangsläufig auf die Verteidigungs- und Kampfeshaltung des Innovators setzen.

 

Erfolgreiche Innovations-Initiativen beschäftigen sich daher auch mit der Frage: "Was kann ich tun, um die (intrinsische) Motivation des Ideengebers bestmöglich zu schützen und vor Demotivation aller Art zu bewahren?"

 

An dieser Frage tun sich generell Abgründe auf. Es beginnt schon damit, dass die meisten Ideenträger sich ihrer Motive für den eigenen Antrieb gar nicht bewusst sind (auch hier liefert Adobe ein paar inspirierende Gedanken). Und endet in vielen Organisationen damit, dass ein dringend benötigtes Maß an Respekt und Wertschätzung gegenüber Neugier, Vielfalt, Engagement, Risikobereitschaft, Querdenkertum oder Kreativität schlicht fehlt. Stattdessen führen Zahlen, Daten, Fakten - und allem voran: bewährte Erfolgsmuster. Und wer sich diesen nicht bedingungslos unterwirft, wird früher oder später aus dem System verbannt.

 

Es ist immer wieder das gleiche Spiel: Die Herausforderungen von morgen sollen mit den Methoden von gestern und den Denkweisen von heute gelöst werden. Dagegen ist im Grunde zwar erst mal wenig einzuwenden. Wäre da nicht die Versuchung, an Bewährtem festzuhalten. Gemixt mit der trügerischen Verlässlichkeit dargebotener Pläne und etablierter Vorgehensweisen entsteht eine altbekannte Droge: Sie nennt sich Komfortzone und zeichnet sich dadurch aus, dass die Angst etwas zu verlieren größer ist, als die Zuversicht etwas zu gewinnen. Ein denkbar schlechter Nährboden für frische Ideen!